Antiquarisches (Polemik)
Nach mehrjährigem Stöbern
in booklooker, ebay, buchfreund, zvab, hood usw. hier einige Tips für Online-Verkäufer:
1.
Es ist nicht nötig, Bücher gleichzeitig auf verschiedenen
Plattformen anzubieten. Wer Bücher sucht, findet schnell die Quellen und nervt sich über die Mehrfachangebote,
die unötiges Vergleichen mit sich bringen. Es ist zwar interessant
zu sehen, dass die Preise desselben Buches je nach dem Anteil, den die
entsprechende
Plattform in Rechnung stellt, variieren, aber
letztlich sind die Unterschiede minimal. Wurde
ein Buch dann verkauft, dauert es oft Monate, bis die Angebote aus den
anderen Plattformen entfernt werden, und in der Zwischenzeit nerven
sich Zweitkäufer über nicht lieferbare Bücher.
2. Sorgfalt bei der Beschreibung:
Arbeit hat ihren Wert, und auch antiquarische Bücher dürfen
ein paar Euro kosten. Wer Bücher neben Fotodummies für 25
Cent anbietet,
für die Beschreibung die
"Copy" - "Paste"- Methode verwendet und dann aus Versehen oft
Beschreibungen von anderen Büchern kopiert (möglichst noch
mit dem Zusatz "abweichender
Titel" oder "abweichende Ausgabe"), sollte die Bücher lieber
gleich ins Altpapier tun.
Nach ein paar Fehlsendungen wird kein Interessent mehr bei solchen
Anbietern etwas kaufen, vor allem wenn (aus verständlichem
Zeitmangel) auf Reklamationen nicht reagiert
wird.
Angebote mit Tippfehlern in Autoren- und Titelangaben werden von Suchmaschinen nicht erfasst.
3.
Zahlreiche Anbieter, auch auf den Plattformen, die erfahrenen Antiquaren
vorbehalten sind, haben keine Ahnung von Büchern, und das
scheint ansteckend zu sein:
Ein Pappbilderbuch
ist ein Bilderbuch für Kleinkinder, bei dem jede Seite beidseitig
auf Pappe kaschiert wurde. Immer mehr Anbieter meinen mit diesem Ausdruck "Pappband".
Das ist ein Buch, bei dem Deckel und Rücken mit Papier bezogen
sind. "Leinen" sollte Ganzleinen sein und nicht Halbleinen (= Leinenrücken). - "Erstausgaben"
sollten erste Auflagen sein, nicht irgendwelche
Bücher, die der jeweilige Verlag als
erster herausgebracht hat: Auch wenn die Ausstattung einer fünften
Auflage vielleicht dieselbe ist wie bei der ersten Auflage, handelt es
sich dabei nicht um eine Erstausgabe. Und wieso behaupten so viele
"1. Auflage" bei ihren Angeboten, obwohl sie gar nicht wissen, ob das
stimmt? Es stimmt meistens nicht.
Im
angelsächsischen Antiquariatshandel kann es bei "Erstausgaben"
vorkommen, dass eine Ausgabe als "1st, 3rd reprint" bezeichnet wird,
was bedeutet, dass der unveränderte Satz der ersten Auflage ein
zweites, drittes Mal abgezogen wurde, das Buch sich aber (ausser dem
Impressum) nicht von der Erstauflage unterscheidet. Bei Blüchert
gibt es jedoch selten unveränderte Nachdrucke von Erstauflagen. Im
Fall der frühen Disney-Ausgaben wurden zweite Ausgaben oft ganz
neu und von anderen Personen übersetzt/bearbeitet, bei weiteren
Auflagen sogar die Seitenzahl reduziert. Bei vielen Blüchert-Titeln wurde fast jede Auflage in einer anderen Druckerei
hergestellt, was in der Regel einen Neusatz und ein neues Layout mit
sich gebracht hat.
Viele Anbieter meinen dem
Käufer
einen Dienst zu tun, indem sie bei einem angebotenen Buch angeben, bei
welchem Verlag und wann das Buch zuerst erschienen ist. Das ist
interessant, aber es sollten auch die Daten des gerade angebotenen
Buches dabeistehen und ob es eine Original- oder Lizenzausgabe ist.
Manchmal ist es auch ein Taschenbuch, das zwanzig
Jahre später erschienen ist. Ich habe schon eine ganze Kiste voll
von solchen falschen Lieferungen!
Ein aus einer Leihbibliothek aussortiertes Buch, das rundum mit Plastikfolie beklebt ist, nennt man foliert (was nicht dasselbe ist wie "foliiert"; darunter versteht man Blattzählung). Es ist Unsinn, hier den Begriff "Schutzumschlag" zu verwenden. Schutzumschläge sind vom Verlag mitgegebene, bedruckte Umhüllungen, gewöhnlich aus Papier.
4. "Gebunden":
Bücher sind nur gebunden, wenn etwas zum Binden verwendet
wurde, z.B. Faden oder notfalls Metallklammern. Bei
richtig gebundenen Büchern sieht man den Heftfaden im Innern der
Lagen, meistens zwischen den Seiten 8/9, 24/25 usw. Sind sie schief gelesen, kann man sie leicht wieder gerade
richten, indem man sie von hinten nach vorn (!) durchblättert, die
Seiten jeweils gut andrückt und danach das ganze Buch eine Weile
beschwert / einpresst. Das dauert zwar eine Minute, man kann sich
dafür aber in der Beschreibung das "schief gelesen" sparen.
90 % aller
Bücher mit harten Deckeln sind nicht gebunden, sondern gelumbeckt bzw. klebegebunden
(mit Leim zusammengeschmiert). Auch wenn viele Hersteller
klebegebundener Bücher dies abstreiten würden, ist das eine
minderwertige Verarbeitungsform. Gelumbeckte Bücher können
nicht wieder gerade gerichtet werden, wenn sie schief gelesen sind,
viele lösen sich mit der Zeit zu Loseblattsammlungen auf. Streng
genommen können solche Bücher
auch keinen "Einband" haben, und ursprünglich handelt es sich
dabei wohl um eine "Bindetechnik" für Taschenbücher.
Bei überstehenden
Deckelkanten sollte die Bezeichnung "Hardcover" (HC) verwendet werden, oder, da die deutsche Wörterbuch-Übersetzung "gebundene Ausgabe" nicht zutrifft, besser mit festem Deckel. Der Gegensatz "Softcover"
(SC) für einen auf Block geschnittenen dünneren Kartondeckel (wie
bei die meisten Taschenbuchausgaben) gilt allerdings auch für
weiche Kartonumschläge über gehefteten Lagen. Solche
langlebigen, wenn auch mit der Zeit abgelutscht aussehenden
Taschenbücher nennt man "englische Broschur".
5. Werbegenies: Es
mag Kunden geben, die es schätzen, wenn ihnen der Verkäufer
das Denken abnimmt, und schnell an die Kasse gehen, damit er endlich
das Maul hält. Bei Online-Angeboten für antiquarische
Bücher riskieren Verkäufer, die alle ihre Angebote als
"Seltenheit", "Rarität", "1a Angebot" usw. bezeichnen, von
ersthaften Interessenten ausgelassen zu werden. Das betrifft besonders
Beschreibungen, bei denen jede Zeile mehr als vier Schriftarten und
mehr als
drei Ausrufezeichen enthält. Lassen Sie den Käufer entscheiden, ob ein
Angebot interessant ist, und vermeiden Sie unklare Klassifizierungen
wie "Dachbodenfund", "Sammlerstück"
usw. Für manche Anbieter ist ein Sammlerstück ein ungelesenes, originalverpacktes Exemplar mit neuwertigem Schutzumschlag, für andere eine Ruine,
bei der die Hälfte der Seiten fehlt. Und die meisten
Dachbodenfunde scheinen in Wirklichkeit Kellerfunde zu sein, die
jahrzehntelang im Sickerwasser gelegen sind und entsprechend riechen.
6. Restauratoren:
Oft kommt es vor, dass bereits gekaufte Bücher in letzter Minute
noch "restauriert" werden. Bitte lassen Sie das bleiben! Schnell noch
die Seite mit dem in der Beschreibung erwähnten Stempel der
Archiv-Abteilung herausreissen, im Glauben, dem Kunden einen Gefallen
zu tun, ist gerade so gut, wie einem Gebrauchtwagen vor der
Auslieferung noch ein Kilo Zucker in den Tank zu schütten.
Und wer "schnell noch" die Risse im Schutzumschlag mit Tesafilm flickt,
macht aus einem kleinen Schaden eine irreparable Ruine.
KPS, November 2015
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